Ein aktuelles Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags legt nahe, dass Deutsche Veterinärbehörden Tiertransporte in Drittstaaten untersagen können, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Bislang hatte insbesondere das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) stets die Haltung vertreten, dies sei aufgrund unionsrechtlicher Vorschriften nicht möglich. Das Gutachten befasste sich vor allem mit der Situation der Grenzländer, die vom Ukraine-Krieg betroffen sind (Russland, Belarus, Ukraine).

Die Wissenschaftlichen Dienste wurden gefragt, inwieweit aufgrund des Krieges in der Ukraine für Deutschland die Möglichkeit besteht, Lebendtiertransporte (insbesondere von Pferden, Rindern, Kälbern, Schafen, Schweinen, Ziegen und Geflügel einschließlich Küken) nach Belarus, Russland und die Ukraine bundesweit und im Einklang mit dem Unionsrecht auszusetzen oder zu verbieten. Des Weiteren wurde gefragt, wie eine Einschränkung von Lebendtiertransporten im nationalen Recht unter formalen Gesichtspunkten vollzogen würde.

Art. 3 Abs. 1 Buchst. e AEUV weist der Europäischen Union (EU) die ausschließliche Zuständigkeit für die gemeinsame Handelspolitik zu. Eine ausschließliche Zuständigkeit der EU führt nach Art. 2 Abs. 1 Hs. 2 AEUV zu einer Sperrwirkung für Mitgliedstaaten. Sie dürfen dann auf diesem Gebiet nur tätig werden, wenn sie von der Union hierzu ermächtigt werden, oder um Rechtsakte der Union durchzuführen. Diese Regelung könnte also auf den ersten Blick einem „nationalen Alleingang“ bei der Untersagung von Tiertransporten entgegenstehen.

Andererseits gilt gem. Art. 3 S. 1 Verordnung (EG) Nr. 1/2005 über den Schutz von Tieren beim Transport und da- mit zusammenhängenden Vorgängen10 (nachfolgend: VO 1/2005), dass Tierbeförderungen nicht durchgeführt oder veranlasst werden dürfen, wenn den Tieren dabei Verletzungen oder unnötige Leiden zugefügt werden können. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat zudem klargestellt, dass die VO 1/2005 auf Transportabschnitte außerhalb der Europäischen Union Anwendung findet.

Im Rahmen des Verwaltungsvollzugs könnten die Länder die zuständigen Behörden (Landesveterinärämter) dazu anhalten, von ihrem durch die TTVO eingeräumten Entscheidungsermessen in einem bestimmten Sinne Gebrauch zu machen und den Transport in oder durch die genannten Staaten auszusetzen (ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften), so die Einschätzung des wissenschaftliches Dienstes. Eine bundesweit einheitliche Regelung könnte darüber hinaus durch Absprachen zwischen den Ländern getroffen werden (z. B. über Länderarbeitsgruppen oder die Agrarministerkonferenz).

Das Gutachten eröffnet damit zwar nicht unmittelbar den Weg zu solchen Transportverboten, wie Tierschutzorganisationen es seit langer Zeit fordern. Gleichwohl könnte es ein wichtiger Argumentationsbaustein auch in der politischen Auseinandersetzung sein – jedenfalls dürften Tiertransporte in Drittstaaten jetzt noch deutlicher von politischem Willen als von rechtlichen Zwängen abhängen.

Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes ist hier zu finden.